Fachinformation/Presse

drugchecking Berlin

Das Berliner drugchecking-Projekt wird von den drei anerkannten Drogenhilfeträgern vista gGmbH, Fixpunkt gGmbH und der Schwulenberatung gGmbH und einem dafür autorisiertem analytischen Labor durchgeführt.

drugchecking ist ein kostenloses und anonymes Angebot für die Konsument*innen von psychoaktiven Substanzen.

Was ist drugchecking?

drugchecking beinhaltet die chemische Analyse von illegalen psychoaktiven Substanzen. Diese ist integraler Bestandteil eines umfassenden Informations- und Beratungskonzepts. Es ermöglicht die Informationsvermittlung über psychoaktive Substanzen, deren Dosierungen, Wirkungen und Gefahren. Vor der Probenabgabe erfolgt eine Reflektion des Konsumverhaltens und eine individuelle Risikoeinschätzung.

Das Berliner drugchecking-Projekt wird dezentral und stationär durchgeführt: Die Konsumierenden kommen zu definierten Sprechzeiten in die drugchecking-Sprechstunden in eine von drei Einrichtungen der beteiligten Drogenhilfeträgern. Von dort werden die abgegebenen Substanzen in ein zur Analytik von Betäubungsmitteln und anderen pharmakologisch wirksamen Substanzen autorisiertes Labor gebracht.

Nach wenigen Tagen können die Konsument*innen die Analyse-Ergebnisse der von ihnen abgegebenen Substanzen persönlich oder telefonisch an den Standorten der drugchecking-Sprechstunden abfragen. Werden besonders gefährliche Proben identifiziert, wird deren Zusammensetzung auf der Homepage des drugchecking Projekts veröffentlicht und vor deren Konsum gewarnt.

Ablauf von drugchecking in Berlin:

1. Das Intake-Gespräch:

Beinhaltet Erläuterung des Verfahrens, Informationsvermittlung über die jeweiligen Substanzen, Beratung, Konsumreflexion mittels Fragebogen und eine Einschätzung des individuellen Risikos. Am Ende des Gesprächs erfolgt die Übergabe der zu untersuchenden Substanzen.

2. Die Substanzanalyse:

Erfolgt durch ein für die Betäubungsmittel-Analytik autorisiertes und angemessen ausgestattetes Labor mittels anerkannter Methoden der instrumentellen Analytik (u. a. HPLC, Massenspektrometrie). Das Analyseergebnis wird an die Drogenberatungsstelle übermittelt und dort für die Nutzer*innen durch eine Fachkraft der Pharmazie aufbereitet.

3. Die Ergebnismitteilung:

Erfolgt wahlweise persönlich in den Einrichtungen, in denen die drugchecking-Sprechstunde stattfindet, telefonisch oder ist perspektivisch über einen personalisierten online Zugang möglich. Sie kann nochmals Beratung und die Erklärung des Analyse-Ergebnisses beinhalten.

Ziele von drugchecking

  • Vorbeugung von Überdosierungen und anderen ungewollten Intoxikationen durch Warnung vor überdosierten und anderen besonders problematisch zusammengesetzten Proben;
  • Reflexion des Konsumverhaltens und des individuellen Risikos (u. a. durch einen Fragebogen und pädagogische zieloffene und motivierende Gesprächsführung);
  • Erlernen von Strategien zur Risikominimierung durch faktenbasierte Beratung;
  • Verbesserte Erreichbarkeit von sonst schwer zu erreichenden Drogenkonsument*innen;
  • Verbesserung des frühzeitigen Zugangs zu Angeboten der professionellen Drogen- und Suchthilfe bei drogenbezogenen Fragen und Problemen durch Kontakt- und Beziehungsarbeit.

Wer kann am drugchecking teilnehmen?

Das Angebot richtet sich grundsätzlich an erwachsene Menschen jeden Geschlechts, jeden Alters und jeder Herkunft, die selbst Drogen konsumieren. Die Zielgruppen sind damit sehr heterogen. drugchecking richtet sich sowohl an gesellschaftlich integrierte als auch an marginalisierte Drogenkonsument*innen.

Besondere Zielgruppen von drugchecking

Im Speziellen werden Konsument*innen, die einen Beratungsbedarf aufgrund des Konsums potentiell gefährlicher psychoaktiv wirksamer Substanzen haben, angesprochen.

Dazu zählen:

  • Risikokonsument*innen (häufiger Konsum und/oder Hochdosis-Konsum und/oder riskante Settings);
  • Party- und Freizeitdrogenkonsument*innen;
  • Konsument*innen mit abhängigem Konsummuster, die gesellschaftlich integriert und unauffällig leben;
  • Konsument*innen mit abhängigem Konsummuster mit Lebensmittelpunkt offene Drogenszene und erkennbaren Verelendungserscheinungen;
  • Menschen (vorwiegend Männer, die Sex mit Männern haben), die unmittelbar vor oder während einer Sex-Session zu diesem Zweck Substanzen wie Crystal (Methamphetamin), GHB/GBL oder Ketamin konsumieren und dies im Vorfeld abgesprochen und organisiert haben (Chemsex).
  • Wann startet Drugchecking in Berlin?

    Das Drugchecking-Projekt Berlin ist im Oktober 2018 mit vorbereitenden Maßnahmen gestartet. Dazu zählen z. B. Netzwerkarbeit und Fachaustausch auch deutschland- und europaweit, Information/Beratung/Aufklärung der Berliner Fachverwaltung und -öffentlichkeit, Substanzberatung ohne Probenannahmen mit Drogen Konsumierenden. Im April und Mai 2023 fanden Probenläufe statt. In der zweiten Juniwoche 2023 wird das Drugchecking Projekt Berlin seinen Routinebetrieb aufnehmen.

  • Warum hat sich der Start der Analysetätigkeit verzögert?

    Die Umsetzung von Drugchecking ist komplex, viele Akteure und Institutionen sind daran beteiligt. Sorgfältige Vorbereitung und Abstimmung sind nötig. Erschwerend kam die Covid-19 Pandemie hinzu, die Ressourcen im Gesundheitssystem und der Verwaltung gebunden hat. Am Ende mussten noch Mittel in den Landeshaushalt für Personalstellen im Labor eingestellt werden. Seit Mai 2023 sind die Laborstellen besetzt

  • Welche Institutionen sind am Drugchecking in Berlin beteiligt?

    Das Drugchecking-Projekt Berlin wird von den anerkannten Trägern der Suchthilfe vista gGmbH, Fixpunkt gGmbH und der Schwulenberatung Berlin gGmbH durchgeführt. Die analytischen Untersuchungen erfolgen im Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin (Germed) mit Methoden der instrumentellen Analytik (u.a. HPLC und Massenspektrometrie). Auf der Verwaltungsebene sind die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (SenWGPG), die Senatsverwaltung für Inneres und Sport (SenInnDS), die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (SenJustVA) und die Polizei Berlin beteiligt. Alle beteiligten Institutionen haben eine Kooperationsvereinbarung zum Drugchecking unterzeichnet.

  • An wen richtet sich Drugchecking (Zielgruppen)?

    Drugchecking richtet sich an alle erwachsene Konsument*innen von psychoaktiver Substanzen, deren Herstellung und Vertrieb nicht staatlich reguliert ist. Cannabis soll nur bedingt und in Ausnahmefällen untersucht werden (siehe unten). Im Einzelnen sind dies:1. Risikokonsument*innen (häufiger Konsum und/oder Hochdosis-Konsum und/oder riskante Settings);2. Party- und Freizeitdrogenkonsument*innen;3. Konsument*innen mit abhängigem Konsummuster, die gesellschaftlich integriert und unauffällig leben;4. Konsument*innen mit abhängigem Konsummuster mit Lebensmittelpunkt offene Drogenszene und erkennbaren Verelendungserscheinungen;5. Menschen (vorwiegend Männer*), die Sex mit Männern* haben [M*SM*], die unmittelbar vor oder während einer Sex-Session zu diesem Zweck Substanzen konsumieren und dies im Vorfeld abgesprochen und organisiert haben („Chemsex“).

  • Befördert oder verharmlost Drugchecking den Konsum von Drogen?

    Das Drugchecking erfolgt nach bestimmten Standards durch anerkannte Träger der Drogen- und Suchthilfe (sogenanntes integriertes Drugchecking). Dabei wird Drogenkonsum weder befördert noch verharmlost. Das Gegenteil ist der Fall. Eine bereits im Jahr 2002 veröffentlichte und von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) geförderte Studie zu Drugchecking von Ecstasy-Tabletten (Pill Testing) erbrachte: 1. Pill Testing führt nicht zu einer Steigerung des Konsums und wird den Kreis der Drogenkonsument*innen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erweitern; 2. Pill-Testing-Programme verzögern oder verhindern bei Unentschlossenen den Einstieg in den Ecstasy-Konsum; 3. Warnungen vor gesundheitsgefährdenden Substanzen haben ein höheres Maß an Glaubwürdigkeit und Akzeptanz, wenn sie im Rahmen von Pill-Testing-Programmen ausgegeben werden. (Benschop, Rabes u. Korf, 2002) Diese Ergebnisse wurden durch zahlreiche Folgestudien und die jahrzehntelange Erfahrung mit integriertem Drugchecking in vielen Mitgliedstaaten der EU bestätigt.

  • Welchen Stellenwert soll Drugchecking innerhalb der Berliner Drogen- und Suchthilfelandschaft einnehmen?

    Drugchecking ist ein neues Angebot für bisher vom Hilfesystem nicht oder nur schwer zu erreichende Konsumierenden-Gruppen. Dazu gehören z. B. sozial gut integrierte Party- und Freizeitdrogenkonsument*innen oder Menschen, die Chemsex praktizieren. Durch Drugchecking werden keine bestehenden Angebote der Drogen- und Suchthilfe ersetzt, sondern sinnvoll ergänzt. Drugchecking wird als ein zusätzliches Angebot von Kontakt- und Drogenberatungsstellen angeboten. Es ist vor allem eine Intervention, bei der Drogengebrauchende dazu motiviert werden, ihren Konsum zu reflektieren und wenn nötig zu verändern. Bei festgestelltem Beratungs- oder Hilfebedarf kann die Beratung intensiviert und Hilfe vorbereitet werden. Drugchecking ist - wie der Betrieb von Drogenkonsumräumen, das Verteilen von Konsumutensilien (sterile Spritzbestecke oder Ziehröhrchen) für den hygienischen Drogengebrauch und das Erstellen und Verteilen von Infomaterial für einen möglichst sicheren Drogenkonsum (Safer Use Infos) - auch ein Instrument der Schadensminimierung (Harm Reduction). Überdosierte oder verunreinigte Schwarzmarktprodukte können durch Drugchecking identifiziert und es kann vor deren Konsum gewarnt werden. So werden im europäischen Ausland regelmäßig Ecstasy-Tabletten analysiert, deren MDMA-Gehalt über 250 Milligramm liegt, das ist die zwei bis drei fache der üblichen Dosis, wie sie z. B. auch zu medizinischen Zwecken (in klinischen Studien) verwendet werden. In Kokain-Pulvern wird neben dem Schmerzmittel Phenacetin und dem Antiwurmmittel Levamisol gelegentlich auch Lidocain gefunden, das beim intravenösen Kokainkonsum zu zahlreichen Todesfällen, auch in Berlin, geführt hatte. Drugchecking stellt ein Instrument der Suchtprävention und Gesundheitsförderung dar. Die beim Drugchecking vermittelten Informationen und Fertigkeiten (z. B. Konsumreflexion) unterstützen Drogengebrauchende beim Erlernen von Konsumkompetenz. Darunter werden Fähigkeiten verstanden, welche dem Einzelnen dabei helfen, das Konsumverhalten so zu gestalten, dass die eigene körperliche, geistige und soziale Gesundheit, aber auch die Beziehung zum sozialen Umfeld bzw. die gesellschaftliche Teilhabe, erhalten bleiben.

  • Welche Ziele werden mit Drugchecking verfolgt?

    Mit Drugchecking werden mannigfaltige Ziele verfolgt. Im Mittelpunkt stehen der Erhalt und die Förderung der Gesundheit und der sozialen Integrität von Drogenkonsument*innen. Im Einzelnen sind dies: 1. Vorbeugung von Überdosierungen und anderen ungewollten Intoxikationen; 2. Reflexion der Drogenwirkung und des individuellen Risikos; 3. Erlernen von Strategien zur Risikominimierung und Entwicklung von Konsumkompetenz; 4. Verbesserte Erreichbarkeit der schwer zu erreichenden Drogenkonsument*innen durch das Hilfesystem; 5. Verbesserung des frühzeitigen Zugangs zu Angeboten der professionellen Drogen- und Suchthilfe bei drogenbezogenen Fragen und Problemen; 6. Monitoring des Drogenmarktes und des Konsumverhaltens einschließlich des frühzeitigen Erfassens von neuen Konsumtrends; 7. Vernetzung von unterschiedlichen Akteuren und Institutionen im Drogen- und Suchtbereich.

  • Wo findet Drugchecking statt?

    Die drei am Drugchecking beteiligten sozialen Träger werden jeweils einmal pro Woche eine Drugchecking-Sprechstunde zu festen Zeiten anbieten. Die Drugchecking-Sprechstunden werden dezentral an drei Standorten voraussichtlich in Kreuzberg, Neukölln und Charlottenburg oder Schöneberg durchgeführt. Die genauen Orte und Zeiten werden durch die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (SenWGPG) und auf der Projekthomepage bekannt gegeben. Mobiles Drugchecking mit Vor-Ort Analyseangeboten, z. B. auf Partyveranstaltungen, ist wegen des hohen materiellen und organisatorischen Aufwands in der Anfangsphase des Berliner Drugchecking-Projekts nicht vorgesehen.

Kontakte & Infos:

Fixpunkt

Schwulenberatung

vista